Stille Post – Was Wir Weiter Geben

Gefördert vom Kulturhaus Brotfabrik, Wien, 2019.

Konzept, Recherche von Cosima Terrasse mit Alena Iijaz und Maria Poljak

„Auf welcher Sprache reden wir? Wo bist du am liebsten? Gibt es so was wie einen Frauenkörper? Welchen Luxus erlaubst du dir? Welche Arbeit machst du ohne Lohn?“ 

Die Kreta – das Grätzl in Favoriten – erzählt eine alte Geschichte über Wien sowie den früheren Arbeiterbezirk und eine neue Geschichte der Migration und des Ankommens in Wien. Alena Iljaz und Maria Poljak habe ich (Cosima Terrasse) in der Brotfabrik Wien kennengelernt, im Zuge anderer Projekte über Nachbarschaft. Wir haben über schlechte Erfahrungen, die wir als Frauen im Bezirk gemacht haben, diskutiert.

Eigentlich eine ziemlich universale Geschichte, nur dass die, die wir für die Ausstellung “Stille Post” gesammelt haben, auch ihre Spezifitäten hat: Wenn deine Mutter in einem anderen Land Frau geworden ist, wie sehr gleicht ihre Erfahrung deiner? Wie vermischen sich diese zwei Leben? Diesen Fragen sind wir nachgegangen — Alena, Maria und ich — und haben die vielen Gespräche verdichtet zu einem Chor an gemischten und anonymen Antworten.

Die Referenz des Titels – das Kinderspiel, in dem man ein Wort oder einen Satz im Flüsterton weitergibt und am Ende etwas anderes dabei herauskommt – deutet zunächst eine missglückte Kommunikation an. Schließlich muss man dabei das Gehörte so weitergeben, wie man es verstanden hat, ohne dass Rückfragen erlaubt sind. So verändert sich das Gesagte von einer Person zur nächsten. Der Ausgangspunkt ist im Ergebnis oft kaum mehr zu erkennen, weil Silben falsch verstanden und neue Sinneinheiten gebildet werden. Auch Stille Post als Kunstwerk durchläuft einen mehrstufigen Prozess, in dem Aussagen weitergegeben, verarbeitet und neu zusammengesetzt werden. Im Gegensatz zur Analogie des Spiels ist dieser Prozess jedoch keine Einbahnstraße, sondern erlaubt, ja produziert Dialog.

Der Prozess gleicht daher vielmehr einem Wiederkäuen, in dem der Inhalt der Aussagen verdaut, weitergegeben, zurückgespielt, und auf‘s Neue verarbeitet wird. Am Ende kommt vielleicht nicht das Gleiche heraus, was am Anfang gestanden hat. Aber genau das macht STILLE POST aus – im Spiel, wie im Kunstwerk.


Während der Ausstellung konnten die Besucher*innen Zitate von Tellern putzen, die von der körperlichen Arbeit und den Opfern ihrer Mütter zeugten (in mit Nägeln beklebten Handschuhen! Wer hat je gesagt, dass man mit langen Nägeln nicht hart arbeiten kann?). Besucher*innen konnten auch das Gespräch
der Mädchen bei Sonnenuntergang belauschen. Denn aus welchem Grund sollten „gute Mädchen“ abends unterwegs sein, wenn nicht, um Selfies im Sonnenuntergang zu machen…